Mächtig – Mächtiger – Palais de Justice de Bruxelles

Genialität oder doch Größenwahn?

In der ersten Woche meines Europapraktikums habe ich in der Pause einer Sitzung der sozialdemokratischen Fraktion FGTB und der Christgewerkschaft ACV-CSC auf der Terrasse des FGTB-Gebäudes dieses Monstrum von Gebäude erblickt. Da ich immer schon von großartiger Architektur begeistert bin, hat mich dieses Gerichtsgebäude gefesselt und sofort in seinen Bann gezogen. Es war von erster Sekunde an für mich klar, dass ich noch näher an dieses Gebäude ran muss und am besten mittendrin stehen um es zu spüren wie es sich anfühlt von so einen großen Bauwerk umgeben zu sein.

Da es nur 1 x in der Woche möglich ist, Eintritt in dieses große Justizgebäude, in dem noch immer vereinzelt Verhandlungen stattfinden, zu bekommen, musste ich nun heute meine Chance nutzen.

Desto näher ich kam, umso weniger konnte ich meine Eindrücke in Worte fassen. Einfach gigantisch!

Die einen halten den Palast für genial, die anderen möglicherweise für maßlos überdimensioniert. Es ist ein unbegreifliches Gebäude, dessen Fassade von Säulen, Statuen, Auf- und Vorbauten nur so strotzt. Eine Verschmelzung von griechischen und römischen Stil.

Der Brüsseler Justizpalast gehört wohl zu den bemerkenswertesten und zugleich bombastischsten europäischen Monumenten des 19. Jahrhunderts und ist in Europa noch heute das Größte seiner Art.

Eine majestätische Dimension von sage und schreibe 26.000 m2 mit acht Innenhöfen, 27 Gerichtssälen, 245 weitere Räume und dominiert mit einer Kuppel die insgesamt 142 m in den Himmel thront.

Mit mehr als 170 Kunstwerken und Portraits von Richtern, Anwälten, Staatsanwälten, Ratsmitgliedern, Staatsmänner, Königen, Herzogen und Professoren ist das Gerichtsgebäude nicht nur der Vertreter des Gesetzes, sondern auch ein Ort voller Künstler, das daran erinnert, die Vergangenheit nicht zu vergessen.

Die belgischen Könige Leopold I. und Leopold II. wollten mit diesem Bauwerk ein Zeichen für den 1830 gegründeten belgischen Staat setzen und beauftragten für dieses architektonische Mammutprojekt keinen geringeren als den Architekten Joseph Poelaert, der auch für das Brüsseler Opernhaus La Monnaie und die Katharinenkirche bekannt geworden ist. Die Fertigstellung des Palastes dauerte knapp 17 Jahre und wurde erst einige Jahre nach Poelaert’s Tod eröffnet. So manch ein Geist besagt, dass Joseph Poelaert am Ende seines Lebens wohl wahnsinnig geworden sei, denn so einen komplexen Plan eines Meisterwerkes, kann das menschliche Gehirn nicht mehr verarbeiten…

Ein dunkles Kapitel in der Geschichte ist jedoch nicht zu leugnen, denn es klebt Blut an den Mauern des Justizpalastes. Belgiens bzw. König Leopold’s II ertragreichste Kolonie war die heutige Demokratische Republik Kongo im Zentrum Afrikas, die damals nicht vom Staat verwaltet wurde, sondern ab 1885 Privatbesitz des belgischen Königs war. Und es ist keine Legende, dass der Brüsseler Justizpalast mit dem Blut kongolesischer Sklaven und Zwangsarbeiter erbaut wurde.

Nichts desto trotz hoffe ich, dass die Menschheit durch ihre Fehler gelernt hat, die Weiterentwicklung in die positive Richtung voranschreitet, durch starke Gewerkschaften auf nationaler und internationaler Ebene nie wieder so etwas wie Ausbeutung des arbeitenden Volkes zulässt und sich entschieden und vereint dagegenstellt. Die Europäische Union die mit ihrem einzigartigen Friedensprojekt viele Völker vereint und ein Vorzeigebeispiel für Frieden und Wohlstand auf der ganzen Welt ist.

Mit diesem Vorsatz, kann auch der damals höchst umstrittene Bau dieses Kolosses, wo das volkstümliche Marollenviertel weichen musste, erhalten bleiben und die Restaurierung für die Ewigkeit des Bauwerkes voranschreiten. Die Planung der vollständigen Restaurierung beläuft sich auf das Jahr 2030, in dem ich bestimmt wiederkommen und staunen werde. Somit ist meiner Meinung nach, die Aufnahme für das UNESCO-Weltkulturerbe gerechtfertigt und es bleibt zu hoffen, das der nötige politische Wille erhalten bleibt, dass eines Tages hier wieder Gesetze durchgesetzt werden können und den europäischen BürgerInnen ohne Gerüst zur Verfügung steht.